Geschrieben am 1. Dezember 2010 von für Musikmag

Andreas Bick: Fire And Frost Pattern

Andreas Bick: Fire And Frost PatternSingende Flammen und Eisberge

– Es ist wieder soweit: Der Winter hat Deutschland fest im Griff, draußen herrschen wenig einladende Minusgrade. Genau die richtige Zeit also, um es sich vor der heimischen Anlage mit field recordings von extremen Temperaturen gemütlich zu machen – so wie Tina Manske.

Der Komponist und Klangkünstler Andreas Bick hat sich in den letzten Jahren unter anderem als Komponist von Fernsehmusiken („Berlin Berlin“, „Der Dicke“ et al.) hervorgetan. Mit seiner neuesten Veröffentlichung wagt er sich an die Grenzen der bewohnbaren Welt. Die Temperaturen, die man hier ‚hört‘, sind zu extrem, um darin leben zu können, und dennoch (oder gerade deswegen) strahlen sie eine ungeheure Kraft aus.

‚Patterns‘, Muster kennen wir im Fall von Hitze und Kälte insbesondere auf der visuellen Ebene (das Muster, das sich auf der schlecht isolierten Fensterscheibe nach einer kalten Nacht zeigt oder das Flirren der Luft über einer heißen Straße). Muster gibt es aber auch auf der auditiven Ebene. In den Liner Notes macht Andreas Bick auf den ewigen Dualismus zwischen brennendem Feuer und klirrender Kälte aufmerksam. Interessanterweise aber sind sich beide Phänomene in der Form ihres Klanges sehr ähnlich, manchmal sogar überhaupt nicht zu unterscheiden. Der Ausbruch eines Vulkans und das Zusammenstürzen eines Eisbergs haben eine identische Soundstruktur, das Knirschen von gefrorenem Wasser unter leichtem Druck ähnelt plötzlich dem Knistern eines Holzscheits im Kamin.

Die beiden zusammengehörenden Kompositionen aus Feldaufnahmen entstanden für das Deutschlandradio Kultur und wurden dort zum ersten Mal 2006 und 2007 ausgestrahlt. Im Jahr 2008 erhielten sie den Prix Phonurgia Nova, eine Auszeichnung für herausragende Klanginstallationen und -projekte. Jetzt sind „Fire Pattern“ und „Frost Pattern“ beim auf Feldaufnahmen spezialisierten Label Gruenrekorder auch auf CD erschienen.

Für die Kompositionen wurden Feldaufnahmen mit elektronischen Hilfsmitteln leichten Transformationen unterzogen. Bick gelingt es, auf künstlerischem Weg die in Feuer und Eis enthaltene ‚Musik‘ hörbar zu machen. Unter den Phänomenen, die man hier zu Gehör bekommt, finden sich singende Eisberge (eingeschlossenes Wasser, das mit Hochdruck durch Hohlräume gedrückt wird, erzeugt Oszillation und damit die singenden Töne), singende Flammen (ein Phänomen, das bereits im 19. Jahrhundert von Frédéric Kastner entdeckt wurde), die Geräusche, die Berliner Seen während Temperaturveränderungen in den frühen Morgen- und späten Abendstunden von sich geben und das Entzünden von Alkohol in Flakons.

Den Fall von Schnee hörbar zu machen, dürfte zum Schwersten gehören, dessen man sich als Klangkünstler annehmen kann. Bick gelingt das Kunstwerk, indem er die Kristalle auf Alufolie fallen lässt, die wiederum direkt an ein Mikrofon angeschlossen ist.

Der einzige Sound auf der CD, der nicht von den Elementen selbst herrührt, ist der leise Ruf einer Robbe von unter dem Eis. Romantisch.

Tina Manske

Andreas Bick: Fire And Frost Pattern. Gruenrekorder.
www.andreasbick.de