Geschrieben am 6. Mai 2010 von für Musikmag

Cine Jazz

Eklektizismus pur

4 CDs, die imaginäre Filme mit NuJazz-Musik versehen – ein neuer Trend resp. ein alter, neuer Trend? Thomas Wörtche hat sich’s angehört.

Bo van de Graaf: Sold Out

Ob der gnadenlose Drang zum Wortspiel bei der CD „Sold Out“ von Bo van de Graaf auch unter dem Einfluss leichterer Dröhnungen durchbricht, wissen wir nicht so genau. 25 imaginäre Soundtracks, die sich an bekannte Filmmusiken annähern, werden teilweise brillant von dem Englisch-Horn und der Oboe von Lidia van der Vegt, der Mundharmonika von Hermine Deuerloo und Jeroen Doomerniks Trompete – unterstützt durch jede Menge Samplings, Saxophone, Stimmen und Keyboards – vorgetragen. Klar, alles Musik im Zitatmodus, das aber immerhin großartig und sehr unterhaltsam und wirkungsvoll gemacht. Kurzweilig postmodern hat, Eklektizismus pur, aber letzterer gehört ja per Definition zum NuJazz. Ach, ja, die Titel heißen dauerkalauernd „Lost Tanga in Paris“, „Ascenseur pour un esgargot“ oder „Silence of the lamps“. Was hamwa gelacht …

Injaztigator: Return To A Past Future

Intelligente Zitatmusik aus den Rubriken Electronic bis Acid Jazz bietet ein Themenabend zum Space Age: Injaztigator mit „Return To A Past Future“. Im Grunde guter alter Jazzrock mit ein paar spacigen Sprüchen zum fröhlichen Hintergrund, knapp vor Easy Listening, mit etlichen knackigen Jazz-Passagen, viel Synthi-Kram und fettem, groovy Bass. Weather Report war schon seit Lichtjahren in diesen Soundwelten unterwegs, bevor der gute Injaztigator überhaupt erdacht war, aber das macht nix, hübsche U-Musik comme il faut.

Science Fiction Theater: Pimp Town

Thematisch verwandt damit ist „Pimp Town“ von Science Fiction Theater. Christoph Grab aus der Schweiz und seine Jungs haben sogar noch einen schönen, neuen Ausdruck gefunden: NuTrash. Was in diesem Fall heißt, dass auch „Pimp Town“ in gut John-Zorn´scher Manier eine fröhlich-bunte Collage aus Soundmilieus von Genre-Filmen und Assoziationsclustern zu SF, Pulp und Easy Listening bietet, mit eingestreuten Stimmen, Zitaten (Morricone, Rota, Schifrin etc.), Improvisationen und hübschen Effekten. Sehr intelligent.

Dalindèo: Soundtrack For The Sound Eye

In die Abteilung Cinematic Jazz gehört auch das finnische Ensemble Dalindèo und seine Produktion „Soundtrack For The Sound Eye“. Auch hier ein paar artige Referenzen, an Hitchcocks Leibkompositeur Bernard Herrmann, an Stanley Kubrick, an Aki Kaurismäki etc. Die Showeffekte sind im Gegensatz zu den beiden oben besprochenen Produktionen hier etwas geringer, die musikalische Substanz dichter, swing und drive sind wichtige Faktoren, überhaupt jazzt die Truppe des öfteren richtig los, und Valterri Pöyhönen ist nicht nur Kopf und Hirn der Band, sondern auch ein tüchtiger Saxophonist, der den Seinen einzuheizen versteht. Für zwei Songs hat man sich noch Bajka geholt, eine Sängerin aus Berlin mit erstaunlich eigenem Sound. Gut so …

Thomas Wörtche

Bo van de Graaf: Sold Out. icompany.
Injaztigator: Return To A Past Future. Brambus Records (Vertrieb: H’ART).
Science Fiction Theater: Pimp Town. Traumton (Vertrieb: Indigo).
Dalindèo: Soundtrack For The Sound Eye. Ricky-Tick Records (Vertrieb: Groove Attack).

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